Optimale Umstiege zwischen den Zügen – dafür sorgen die Knoten im deutschen Schienennetz. Warum sie alles zusammenhalten und umsteigen künftig noch leichter wird? Ein Experte gibt Einblick in die Planungen des Deutschlandtakts.
Wichtige Relationen laufen im deutschen Schienennetz in Knoten zusammen. Diese Knoten sind Bahnhöfe, in denen sich Züge zu bestimmten Zeiten, also zum Beispiel stündlich oder halbstündlich, treffen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten zum Umsteigen maximiert. Verkehrsplaner Philipp Schröder erklärt: „Je mehr Züge in die Knoten fahrplanmäßig eingebunden sind, umso mehr Umsteigebeziehungen können angeboten werden. Technisch erfolgt dies in der Regel auf Basis der Nullsymmetrie.“ Das bedeutet, dass Züge einer Linie sich immer zur Minute 0 und, bei halbstündlich verkehrenden Linien, auch zur Minute 30 begegnen. Diese Regel hat sich europaweit in dichten Netzen etabliert. Legt man diesen Zeitpunkt der Begegnung der Züge in Bahnhöfe, entstehen idealerweise die Knoten zur Minute 0 beziehungsweise 30. Im Rahmen des Deutschlandtakts sollen Fernverkehrszüge nahezu alle deutschen Großstädte im Halbstundentakt miteinander verbinden.
Der Zielfahrplan für den Deutschlandtakt
Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen feilt Schröder bei SMA, einem unabhängigen Beratungs- und Softwareunternehmen für Bahnsysteme, am Zielfahrplan für den Deutschlandtakt. Dieser Zielfahrplan ist die konkrete Angebotsvision und das Zielbild für das Fahrplanangebot des langfristigen Schienenverkehrs in Deutschland. Es ist ein mit den Stakeholdern abgestimmtes Konzept des Schienenpersonen- und Güterverkehres. Die Infrastruktur wird zielgerichtet gemäß dem Prinzip „Erst der Fahrplan, dann die Infrastruktur“ ausgebaut. Es werden also genau dort Kapazitätsengpässe entschärft oder Fahrzeiten verkürzt, wo es aus Sicht des abgestimmten Angebotskonzepts erforderlich wird. Dabei besteht der Zielfahrplan aus zahlreichen Knoten, da nicht überall im deutschen Schienennetz Direktverbindungen angeboten werden können.
Die Fahrzeiten werden auf bestehenden Strecken mittels Fahrzeitrechnungen der bestehenden Infrastruktur berechnet. Für neue Strecken werden die Zielfahrzeiten aus dem Angebotskonzept abgeleitet. Dabei spielen die Kantenzeiten eine wichtige Rolle. Sie sind erforderlich, um bei Planungsbeginn eine bundesweite Knotenstruktur zu etablieren und zu ermitteln, ob die Fahrzeiten innerhalb dieser Kantenzeiten realisierbar sind.
Kantenzeiten sind die Zielfahrzeiten zwischen zwei Knoten. Sie beinhalten bereits die Umsteigezeiten in den Knoten. „Die Kantenzeit zwischen zwei Nullknoten beträgt 60 Minuten. Damit Reisende aber zwischen den Linien umsteigen können, bietet sich eine konkrete Umsetzung mit einer Zielfahrzeit von 52 bis 58 Minuten je nach Umsteigesituation an.“
Strukturelle Engpässe
Zur Umsetzung des Deutschlandtakts braucht es teilweise große Neu- und Ausbauprojekte. Sie schaffen ein stabileres Netz und lösen Engpässe auf. Zum Beispiel auf der Verbindung Würzburg–Nürnberg oder Berlin-Hannover–Bielefeld-Hamm sorgen Aus- und Neubaumaßnahmen neben der Fahrzeitverkürzung auf die jeweils erforderliche Zielfahrzeit auch für Entlastungen auf der Schiene. Schröder: „Neubauprojekte können dabei in der Regel isolierter vom bestehenden Bahnnetz gebaut werden. Die Eingriffe in den bestehenden Verkehr sind demnach geringer als beim Ausbau entlang eines Bestandes.“
Wo die Knoten zusammenlaufen
Von neu entstehenden Hochgeschwindigkeitsstrecken profitieren nicht nur Reisende des Fernverkehrs. Auch der Güter- und Nahverkehr gewinnen an neuen Möglichkeiten für mehr und bessere Angebote – dank neuer Schienenwege und freiwerdender Kapazitäten der Bestandsstrecken.
Darüber hinaus gibt es in allen Bundesländern wichtige Knoten, in denen Fern- und Nahverkehr eng miteinander verzahnt sind. Dazu gehören zum Beispiel Saarbrücken, Koblenz, Freiburg, Offenburg, Treuchtlingen, Donauwörth, Kiel, Eisenach, Wittenberge, Magdeburg, Bielefeld, Bremen, Münster, Mainz, Kassel, Regensburg, Augsburg oder Ulm.
Leichter umsteigen, schneller am Ziel
Dort, wo keine perfekt ausgestalteten Knoten im Fahrplan eingerichtet werden können, sind zusätzliche Richtungsanschlüsse eingeplant. Hier sind die Umsteigezeiten in den Verbindungen mit starker Nachfrage optimiert, priorisiert und damit oft auch kürzer. „In den Planungen zum Deutschlandtakt ist zudem darauf geachtet worden, heute sehr knappe Umsteigebeziehungen moderat, also um wenige Minuten, auszudehnen, um Stabilität in das System zu bringen“, erklärt Schröder.
Ein Vorteil für Reisende, denn dies führt für eine Vielzahl der Relationen zu kurzen Reisezeiten infolge von Aus- und Neubauten in die Region. Die Knoten sind damit das integrale Element der Planungen zum Deutschlandtakt. Erst sie führen durch gute Umsteigemöglichkeiten zu einer netzweiten Wirkung von Ausbauten und Angebotsverdichtungen – ein zentraler Vorteil integraler Taktfahrpläne gegenüber streckenorientierten Taktfahrplänen. Der Deutschlandtakt ist ein insgesamt fein austariertes Gesamtkonzept. Anpassungen sind grundsätzlich immer möglich, ziehen aber meist Konsequenzen nach sich.