Netzplanstation 2_20px

Damit auf der Schiene alles reibungslos läuft, braucht es sogenannte Zugleitsysteme. In Europa sollen diese vereinheitlicht werden, um den transnationalen Schienenverkehr zu optimieren. Das kommt auch dem Deutschlandtakt zugute.

Manche werden sich noch erinnern: Vor der Einführung des Euro war an fast jeder Grenze Geldwechseln angesagt und im europäischen Zugverkehr musste an vielen Grenzen entweder die Lok getauscht oder das Zugleitsystem gewechselt werden. Die Lösung: Einheitlichkeit. Was für Europas Zahlungsverkehr der Euro ist, ist für den Schienenverkehr ERTMS (European Rail Traffic Management System oder Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem), das gemeinsame europäische Zugleitsystem. Um das Reisen und den Gütertransport innerhalb der Europäischen Union (EU) zu optimieren, beabsichtigen die Mitgliedsstaaten, ihre Zugleitsysteme zu vereinheitlichen. Diese sorgen dafür, dass Züge sicher und pünktlich ans Ziel kommen.

Rund 20 verschiedene Zugleitsysteme in Europa

Lokführerinnen und Lokführer steuern ihre Züge aus Sicherheitsgründen nicht allein, sondern mit technischer Unterstützung. Ein ICE beispielsweise wiegt etwa 700 Tonnen und benötigt je nach Geschwindigkeit einen Bremsweg von mehreren Kilometern. Es braucht also ein technisches Leitsystem, das dafür sorgt, dass Züge genügend Abstand zueinander halten, die Weichen gestellt sind und jederzeit klar ist, wo sich welcher Zug befindet.

In Europa gibt es rund 20 verschiedene Zugleitsysteme. Wenn Züge Grenzen überqueren, kann das zu Problemen führen. Dann müssen nämlich Lokomotiven die benötigten Systeme integriert haben oder an der Grenze ausgetauscht werden. Verzögerungen, Pannen und höhere Kosten können die Folge sein.

Deswegen wurde ERTMS entwickelt: Das European Rail Traffic Management System und seine Bestandteile, das sogenannte Europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS, das Kommunikationssystem GSM-R und zukünftig auch das Kommunikationssystem Future Railway Mobile Communication System (FRMCS), sollen die verschiedenen Zugleitsysteme in Europa vereinheitlichen – so wie der Euro einst die nationalen Währungen ersetzt und den Zahlungsverkehr in der EU um ein Vielfaches vereinfacht und beschleunigt hat. Zusätzlich zur Interoperabilität bietet ERTMS eine zukunftssichere Lösung, die Sicherheitsstandards harmonisiert, Kosten reduziert und fortschrittliche Technologien wie den automatisierten Fahrbetrieb oder intelligente Verkehrsmanagementsysteme ermöglicht.

ERTMS (Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem)
Das European Rail Traffic Management System ist das übergeordnete europäische Zugleitsystem. Seine Hauptkomponenten sind ETCS und GSM-R/FRMCS.

ETCS (Europäisches Zugbeeinflussungssystem)
ETCS ist Bestandteil des ERTMS. Das European Train Control System kontrolliert beispielsweise, wie schnell ein Zug fährt, und überwacht, auf welchen Gleisabschnitten er fahren darf. ETCS stoppt Züge automatisch, wenn eine Strecke nicht freigegeben ist.

GSM-R (Globales Schienen-Mobilkommunikationsnetz)
GSM haben Sie vielleicht schon einmal gehört: Das Global System for Mobile Communications ist ein digitaler Mobilfunkstandard und die Grundlage unserer Mobiltelefonie. Das „R“ in GSM-R steht für „Rail“, also Schiene. Es ist ein Mobilfunksystem für die Kommunikation im Schienenverkehr.

FRMCS (Future Railway Mobile Communication System)
FRMCS ist der Nachfolger von GSM-R und wird als zukünftiger Standard für die mobile Kommunikation im Schienenverkehr entwickelt. Es basiert auf den neuesten Mobilfunktechnologien wie 5G und soll eine verbesserte Leistung, höhere Datengeschwindigkeiten und eine bessere Zuverlässigkeit bieten. FRMCS wird voraussichtlich eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung des Eisenbahnverkehrs und der Umsetzung neuer Technologien wie autonomer Züge spielen.

Wichtige Voraussetzung für den Deutschlandtakt

Die Vereinheitlichung auf ein europäisches Zugleitsystem hat nicht nur Einfluss auf den europäischen Zugverkehr, sondern ist auch eine wichtige Voraussetzung für den Deutschlandtakt. Denn die Zugleitsysteme in Deutschland sind bislang nicht flächendeckend digitalisiert. Der Deutschlandtakt berücksichtigt auch die innereuropäische Vernetzung, insbesondere die grenzüberschreitenden Verbindungen sollen sich künftig verbessern. Das digitale System ERTMS erlaubt eine engere Taktung, reduziert Signalstörungen und ermöglicht in Zukunft autonome Züge und intelligente Verkehrsmanagementsysteme.

ETCS, das Herzstück des europäischen Zugleitsystems, funktioniert bereits auf einigen Strecken in Deutschland, zum Beispiel auf Abschnitten der Schnellfahrstrecke Berlin – München oder der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm. Züge, die unter ETCS betrieben werden, übermitteln die Informationen für Lokführerinnen und Lokführer direkt auf einen Bildschirm im Führerstand. Durch die Überwachung über Funk und Transponder im Gleisbett werden kontinuierliche Positionsbestimmungen durchgeführt. Die Zugposition und -geschwindigkeit können somit sichergestellt werden und ermöglichen mit dem System Höchstgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h. Doch bis zur flächendeckenden Einführung von ERTMS und ETCS in Deutschland ist es noch ein weiter Weg. Denn das Umrüsten der Strecken und Züge ist aufwendig und kostspielig. So kostet laut dem Europäischen Koordinator für die Einführung von ERTMS, Matthias Ruete, das Nachrüsten einer Lok im Durchschnitt 255.000 Euro.

Dennoch ist die Digitalisierung des Schienenverkehrs unausweichlich, um den Anforderungen an eine moderne und nachhaltige Mobilität gerecht zu werden. Die Vereinheitlichung der Zugleitsysteme in Europa und die Einführung von ERTMS und ETCS sind dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie ermöglichen nicht nur einen schnelleren und effizienteren Zugverkehr, sondern auch mehr Kapazitäten, Sicherheit und Zuverlässigkeit sowie eine bessere Interoperabilität auf der Schiene. So ist die Digitalisierung des Schienenverkehrs eine wichtige Voraussetzung für den Deutschlandtakt und eine moderne, nachhaltige Mobilität in ganz Europa.

Titelbild: Quelle: Deutsche Bahn AG / Max Lautenschläger