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Damit der Deutschlandtakt Realität wird, müssen zahlreiche Strecken in Deutschland neu- oder ausgebaut werden. Was sind die Vorteile eines Neubaus gegenüber dem Ausbau einer bestehenden Strecke? Und wo liegen die Nachteile? Vor Baubeginn muss sehr genau geprüft und abgewogen werden.

Von Berlin nach München in unter vier Stunden: Das ging lange Zeit nur mit dem Flugzeug. Doch die 2017 in Betrieb genommene Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den beiden Metropolen macht dies inzwischen auch mit Zügen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr möglich. Durch den Thüringer Wald geht es seitdem mit 300 km/h von der Bundes- in die bayerische Landeshauptstadt. Die Strecke ist ein gutes Beispiel dafür, warum es manchmal notwendig ist, eine Bahnstrecke neu zu bauen, statt die Bestandsstrecke auszubauen. Zwischen Berlin und München sorgte der Neubau für eine Zeitersparnis von gut zwei Stunden.

Denn damit ein Zug für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wie beispielsweise ein ICE Tempo 300 erreichen kann, braucht er eine geeignete Trasse: möglichst gerade, möglichst wenig Steigungen, möglichst nur für Hochgeschwindigkeitszüge. Fahren auch Regional- und Güterzüge zur gleichen Tageszeit auf demselben Gleis, bremsen diese die schnellen Fernzüge aus.

Für den Deutschlandtakt sind Hochgeschwindigkeitstrassen von großer Bedeutung. Sie ermöglichen eine regelmäßige und hohe Taktung der Fernzüge zwischen den größten deutschen Städten. Dadurch entstehen die großen Knotenpunkte, an die der Regionalverkehr nahtlos angeschlossen wird.

Prüfung von Ausbaumöglichkeiten

Ein Beispiel hierfür ist die Strecke Hannover–Bielefeld. Bislang passieren Fernzüge hier einen kurvigen, verwinkelten Engpass von etwa 40 Kilometern, den sie sich mit Regional- und Güterzügen teilen müssen. Das bremst nicht nur die Ost-West-Verbindungen auf der Schiene in ganz Deutschland, sondern wirkt sich auch auf die Nord-Süd-Achse aus.

Die naheliegende Lösung: eine neue Schnellfahrtrasse, die vom Personennah- und Güterverkehr abgekoppelt ist und auf der Fernzüge bis zu 300 km/h fahren können. Die Fahrzeit verkürzt sich damit perspektivisch auf ca. 31 Minuten. Die neuen Gleise schaffen mehr Kapazität auf den alten und sorgen so für einen höher getakteten Regionalverkehr.

Die Frage, ob hierfür eine Neubaustrecke, der Ausbau der Bestandsstrecke oder eine Hybridvariante das Optimum darstellt, ist noch nicht abschließend geklärt. In solchen Fällen werden zunächst alle infrage kommenden Alternativen sorgfältig abgewogen. Dabei wird auch geprüft, ob die vorhandene Strecke ausgebaut werden kann. Denn das kann schneller und günstiger zu realisieren sein, als eine neue Trasse zu planen und zu bauen. Auch Genehmigungsverfahren und der Grunderwerb können einfacher sein, da das betreffende Gebiet bereits für den Schienenverkehr genutzt wird.

Günstiger Neubau?

Um allein die verkehrlichen Ziele zu erreichen, ist in vielen Fällen ein Streckenneubau unumgänglich, z. B. dann, wenn die neue Strecke deutlich kürzer ist und/oder höhere Fahrgeschwindigkeiten ermöglicht. Darüber hinaus ist ein Neubau oftmals schneller und günstiger umsetzbar als der Ausbau einer vorhandenen Strecke. Zum Beispiel, weil der Neubau unabhängig von bestehenden Verbindungen gebaut werden kann, was den Bauprozess vereinfacht und beschleunigt. Außerdem kann die bestehende Strecke während der Bauzeit ohne Einschränkungen weiter genutzt werden.

Gute Beispiele hierfür sind die rund 170 km lange Neubaustrecke Köln–Rhein/Main, die in weiten Teilen mit der Autobahn A3 gebündelt ist und trotz eines hohen Brücken- und Tunnelanteils in nur sechs Jahren fertiggestellt werden konnte. Außerdem die rund 180 km lange Neubaustrecke Berlin–Hannover zwischen Berlin-Spandau und Wolfsburg, die ebenfalls in nur sechs Jahren gebaut wurde. Auch die Ende 2022 in Betrieb gegangene Neubaustrecke Wendlingen–Ulm konnte fertiggestellt werden, ohne den Betrieb der hoch belasteten Geisslinger Steige zu beeinträchtigen.

Im Gegensatz dazu hat der Ausbau der Bestandstrecke der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel deutlich länger gedauert. An der 186 km langen Verbindung wird seit 35 Jahren gebaut. Die Fertigstellung ist in 15 Jahren geplant.

Der Ausbau unter dem rollenden Rad

Um eine Bestandsstrecke auszubauen, ohne sie für längere Zeit komplett sperren zu müssen, gibt es die Methode des Bauens unter dem rollenden Rad, auch Bauen unter Verkehr genannt. Oft werden hierbei die Bauarbeiten in die Nacht verlegt, da dann weniger oder keine Reisezüge auf der Strecke fahren und sich die Güterzüge umleiten lassen. Ein Ausbau einer Bestandsstrecke bedeutet aber fast immer Einschränkungen durch längere Reisezeiten, Zugausfälle und Unannehmlichkeiten für Pendlerinnen und Pendler sowie Reisende. Auch die Bauzeit ist in den meisten Fällen länger als bei einem Neubau.

Eine solche Modernisierung ist beispielsweise für Teile der Ausbaustrecke zwischen Hanau und Fulda geplant. Allerdings führen die Arbeiten zumeist zu einer wesentlich längeren Bauzeit, da die Bauarbeiten enormen zeitlichen, räumlichen und logistischen Einschränkungen unterliegen.

Intensive Planungsphasen

Der Ausbau einer Bestandsstrecke lohnt sich häufig eher für den Regional- oder Güterverkehr. So wie auf der Bahnstrecke Oldenburg–Wilhelmshaven: Hier ist seit 2012 der JadeWeserPort in Betrieb, Deutschlands drittgrößter Containerhafen. Er braucht höhere Kapazitäten auf der Schiene. Nach Prognosen des Bundes wird die Zahl der Güterzüge von heute 10 bis 15 auf bis zu 77 Züge pro Tag im Jahr 2025 ansteigen. Die vorhandene Strecke wurde daher zweigleisig ausgebaut, erneuert und elektrifiziert. Ende 2022 in Betrieb gegangen, hat hier der Güterverkehr bereits deutlich zugelegt und sich mit 30 Zügen pro Tag mehr als verdoppelt.

Bei der Entscheidung, ob eine Strecke neu gebaut oder ausgebaut werden soll, spielen letztlich viele Einzelfaktoren eine Rolle. Ist die Bestandsstrecke geeignet, den künftigen verkehrlichen Anforderungen zu genügen? Erlauben die Kurvenradien und die umgebende Bebauung überhaupt einen Ausbau der Strecke? Gibt es Trassenalternativen, die schneller, kostengünstiger und/oder umweltschonender zu realisieren sind? Welche Auswirkungen haben die jeweiligen Bauarbeiten auf die Anwohnenden? Um hier die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine intensive, oft jahrelange Planungsphase notwendig.

Kosten

Der Ausbau einer Bestandsstrecke ist oft teurer als ein Neubau, da bei einem Ausbau die bestehende Infrastruktur angepasst oder erweitert werden muss. Ein Neubau bietet hingegen die Möglichkeit, eine optimale Streckenführung zu wählen und die Infrastruktur von Grund auf effizient zu gestalten.

Technologische Veränderungen

Die technische Ausstattung und der vorhandene Standard der Bestandsstrecken entsprechen häufig nicht den modernen Anforderungen. Ein Austausch im Zuge eines Ausbaus kann zwar Verbesserungen bringen, ist aber in der Regel aufwendiger und kostspieliger als moderne Technologien von Anfang an in einen Neubau zu integrieren.

Umweltauswirkungen

Der Neubau einer Strecke bietet die Möglichkeit, von Anfang an alle Umweltaspekte und Schutzgüter zu berücksichtigen und bei Bedarf alternative Routen zu wählen oder geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Umweltbelastungen während des Baus und im späteren Betrieb zu minimieren.

Demgegenüber ist der Ausbau bestehender Strecken aus Umweltsicht immer dann besonders problematisch und aufwendig, wenn die bestehende Strecke bereits durch sensible Gebiete oder Naturschutzgebiete führt.